Bachs Cellosuiten und ihre heutigen Nachfahren

Matthias Lorenz spürt im PFL musikalischen Verknüpfungen nach - Faszination ist spürbar

OLDENBURG - Man kennt sie - oder man sollte sie zumindest kennen: die sechs Cellosuiten von Johann Sebastian Bach. Aufführungen dieser Juwelen sind für Interpreten heikel, denn jeder Ton wird gerne auf die Goldwaage gelegt. Matthias Lorenz (Cello) trat die Flucht nach vorne an, studierte die Stücke auf ganz eigene Weise, um von den Kerngedanken ausgehend kompositorische Anknüpfungspunkte in heutiger Musik zu suchen. Am Wochenende zeigte er seine Erkundungen in einer neuen Folge von "BACH.heute" im Kulturzentrum PFL

Das Charakteristische an Bachs vierter Cellosuite, welche er auswendig und mit geradezu schwelgendem Ausdruckswillen spielte, sah er in einem "Baustein" Prinzip: Die dort verwendeten Elemente - Harmonien, Takte oder ganze Schichten werden bei Bach wiederholt und unterschiedlich weiterentwickelt. Eine solche Musik stehe einer in Konventionen verfestigten, hierarchischen Ordnung entgegen.

In besonders radikaler Form findet sich dieses Prinzip auch In Helmut Lachenmanns "Pression" aus dem Jahr 1969. Obwohl dieses ein Sammelsurium neuer, geräuschhafter Spielweisen vereint, gelang Lorenz das Erstaunliche: Sie verbanden sich zu einer sinnlich leisen, sehr intimen Musik.

Auch Luciano Berios virtuoses "Sequenza XIV" (2002) erobert sich das Instrument auf vielfältige, wenngleich etwas konventionellere Weise. Mit " forinationi" (ebenfalls 1969) von Attila Bozav aus Ungarn stand ein weniger klangsinnliches, für die damalige Ästhetik typisches Stück in einer variierenden, modularen Form auf dem Programm.

Ebenso eine Rarität war das puristisch angelegte .‚Tileworks for Cello" (2003) von dem Amerikaner Tom Johnson, in dem sich einzelne Töne wie Steinchen zu Klangmosaiken zusammenfügen.

Nicht nur in den recht ausführlichen Erläuterungen, sondern auch im Spiel war bei Lorenz eine Faszination für all jenes spürbar, das sich nur hinter der unterhaltsamen Fassade von Musik erkunden lässt.

Till Kipper

Erschienen in der Nordwest-Zeitung am 8. Juni 2010

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