Fazit
Ohne die erzwungenen Einschränkungen durch Corona hätte ich das Konzert so nicht gemacht. Ich bin froh, durch diesen unerfreulichen Anlass den Anstoß dazu bekommen zu haben. Live-Streaming kann Live-Konzerte nicht ersetzen, aber es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie sich gewöhnliche Konzerte dadurch ergänzen lassen.
Im Einzelnen
Besuch: Maximal wurde der Stream 53 mal gleichzeitig aufgerufen, das ganze Konzert über kamen und gingen aber Hörer. Da ich davon ausgehe, dass die wenigsten alleine gehört haben und von bis zu 4 gleichzeitigen Hörern bei einem Abruf weiß, kann man wohl von maximal etwa 100 gleichzeitigen Hörern ausgehen, das ist viel mehr, als gewöhnlich in einem Solokonzert von mir.
Es haben sich bis zum 16. April 32 Personen entschlossen, einen Eintritt für (wahrscheinlich) 50 Hörer zu zahlen. Das finde ich bemerkenswert! Die meisten haben sich dabei an meinen Vorschlag gehalten, da einige aber auch (teilweise sehr großzügige) Fördereintritte gezahlt haben, ergibt es zusammen 729 Euro. Damit habe ich 400 Euro an die Azienda Ospedaliero-Universitaria Careggi spenden können. Wahrscheinlich ist das ein Beitrag, der eher Solidarität ausdrückt, als direkt zu helfen. Andererseits waren es ja auch viele kleinere Beträge, die es im Rahmen des Konzertes möglich gemacht haben, diese Summe zusammen zu bekommen.
Ich gehe davon aus, dass der hohe Besuch damit zusammenhängt, dass es mein erstes Live-Streaming-Konzert war und dass durch Corona die Zeiteinteilung so anders ist. Und die große Bereitschaft, Eintritt zu zahlen, hängt wahrscheinlich auch mit der angekündigten Spende zusammen. Also quasi ein doppelter positiver Corona-Efekt für dieses Konzert. Andererseits bestärkt es mich darin, dass das Konzept auch finanziell möglich ist, da so persönlich angebunden offensichtlich klar ist, dass frei verfügbar nicht kostenlos heißt.
Streaming als Konzertform: Ein Ersatz bleibt ein Ersatz! Im Vergleich zu einem echten Konzert haben vor allem zwei Dinge gefehlt: 1. Der richtige Klang. Selbst wenn unser Wohnzimmer besser klingen würde, die Wiedergabe über Lautsprecher kann nie das bieten, was der echte Celloklang hat. 2. Interaktion. So schön es ist, dass es den Chat gibt und so viel Spaß das chatten nach dem Konzert gemacht hat, ein echtes Gegenüber zu haben ist doch etwas anderes, besseres.
Auf der anderen Seite war es doch richtig, das ganze als Live-Konzert anzulegen und nicht vorzuproduzieren. Viele Hörerinnen und Hörern haben mir hinterher berichtet, wie sie das Hören zu dieser Zeit in ihren Tag eingebaut, ja zelebriert haben. Und erzählt, dass auch sie sich anders verhalten haben, als wenn es eine fertige Produktion gewesen wäre. Das entspricht meiner Wahrnehmung beim Spielen. Trotz allem, was fehlte, war es eine Konzertsituation. Auch wenn sich das Publikum bei mir auf die abstrakte Zahl der Stream-Aufrufe reduziert hat, ich wußte ja, dass mir genau jetzt jemand zuhört. Und damit war es entschieden anders, als mich hinzusetzen und einen Durchlauf durch das Programm zu spielen. In einem echten Konzert, kommen Spieler und Publikum gemeinsam in einen Zustand einer höheren Konzentration. Das war sicherlich nicht so, aber es ging in die Richtung.
Und der Stream hat Vorteile: 1. Oben hatte ich schon die Besucherzahl erwähnt. Sie kommt auch daher, dass ich gleichzeitig in London, Prag, Paris, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt etc. gehört werden konnte - und auch in Dresden. 2. Es ist ein ganz niederschwelliges Angebot. Wer will, kann ohne jede Verpflichtung einmal hineinhören und wird niemanden stören, falls er/sie früher gehen will. 3. Natürlich banal, weil so typisch fürs Internet, aber tatsächlich kommen damit Menschen international in Kontakt, die es sonst nicht gekommen wären.
Technik: Natürlich gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Es war richtig, dafür Mikrophone gekauft zu haben, in meinen Augen war es kein Problem, nur die Laptop-Kamera zu haben. Für die Lautstärke hatte ich die falsche Referenz gewählt (ich hätte es ohne externe Lautsprecher am Computer und mit dem Handy ausprobieren müssen - so lernt man dazu). Jetzt gibt es einen Remix mit angehobener Lautstärke (https://youtu.be/912j0_U7a8I) den ich allerdings nur empfehlen würde, wenn das Original zu leise ist. Trotzdem ist erstaunlich, wie klein der Aufwand war, um das alles zu tun.
Rückmeldung: In den Neuen (musikalischen) Blättern gibt es eine Besprechung des Konzertes.
Wenn mir jemand noch einen Bericht der Wahrnehmung aus Hörerperspektive zusenden will, wäre ich froh, ihn hier zu veröffentlichen. Gleiches gilt für Fotos der Hörsituation.
Perspektiven: Aktuell kann ich mir vor allem zwei Varianten für die Zukunft vorstellen: 1. Man macht vor einem regulären Konzert einen Live-Stream mit dem gleichen Programm. Das würde allen, die nicht vor Ort sein können, den Zugang ermöglichen und Andere vielleicht anregen, dann auch das Konzert im Konzertsaal zu hören. 2. Zusätzlich zum Live-Konzert kann man es auch live streamen. Der Nachteil ist allerdings, dass man sich dann zwischen dem Publikum vor Ort und dem Online-Publikum entscheiden müsste (entweder mit Menschen reden oder mit ihnen chatten...). Und dass die (zeitliche) Dynamik unterschiedlich ist. Was soll das Online-Publikum in der Konzertpause machen?
Für weitere Gedanken dazu und Ideen, wie man es noch machen könnte, bin ich natürlich dankbar!