Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 6. Mai 2003
Die Szene freier "klassischer" Musiker in Dresden wird zusehends vielfältiger - eine schöne Entwicklung, zu der unter anderem auch die Bereicherung durch so ein ausgefallenes Ensemble wie das auf die Moderne spezialisierte elole-Klaviertrio gehört. Geigerin Uta-Maria Lempert, Cellist Matthias Lorenz und Stefan Eder (Klavier) sind überregional und international viel unterwegs, vermutlich haben sie andernorts auch zahlreicheres Publikum als bei ihrem jährlichen Dresdner Konzert mit für das Trio typischem Programm: Stücke, die ohne stilistische Scheuklappen die große Bandbreite aktueller Musik repräsentieren.
Mit "Motions 4" des Österreichers Johannes Wohlgenannt Zincke bekam man eine eigenwillige Musiksprache vorgestellt - nahezu ausschließlich tonale Klänge und schlichte Akkordrepetitionen, die manchmal erfreulich frisch klangen, aber zu oft in ungebrochen romantische Harmonieverbindungen abrutschten. Spannend die zerbrochene, ebenfalls radikal "einfache" Melodik im zweiten Satz des dreisätzigen Stückes. Athanasia Tzanou, in Frankreich lebende Griechin, vermeidet trotz des Titels eine allzu deutliche Dreiteiligkeit in ihrem "Tryptique VI", der Uraufführung des Abends. Überzeugend der flirrende Beginn und die knackigen Akzente im Klavierpart (beim zupackenden Stefan Eder in den besten Händen), die ungeschönten Brüche in der Gestik; weniger erfreulich die bemühte Expressivität ausufernder Melodielinien. Allerdings ein netter Bezug zu Schostakowitschs wenig gespieltem erstem Klaviertrio, in dem solch romantischer Schmelz gezielt übertrieben wird. Das Stück ist nicht so genial wie andere Frühwerke des Russen, aber die Musiker von elole spielten es bissig, trocken und mit rückhaltlosem Schwung im Schlussteil.
Das in gewisser Weise unproblematischste, "gefassteste" Stück des Konzerts war "Champlève" von Charlotte Seither, das noch einmal die ganze Vielfalt der Möglichkeiten eines Klaviertrios von zarten bis zu brutalen Klängen forderte und bekam. Es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit sich dieses mutige Ensemble zu einer Einheit zusammengespielt hat, in der dennoch die Individualität der Musiker nicht untergeht; bis auf einen etwas belegten Einstieg der Violine waren das interpretatorische Niveau und die klangliche Flexibilität ausgezeichnet. Matthias Lorenz' lebendige, eigenwillige Einführungen sind ebenfalls schon zu einer Art "Markenzeichen" des Trios geworden, das allerdings nicht zur Marotte werden sollte.
Benjamin Schweitzer